Sehtests alle fünf Jahre für Senioren geplant
Augenoptiker nicht explizit genannt
Bleibt die Frage, an wen sich Betroffene bei Bedarf eines Sehtests wenden können. Denn Augenoptikerinnen und Augenoptiker werden im Entwurf nicht explizit genannt, wie Carsten Schmitt, Abteilungsleiter Recht beim Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) auf DOZ-Anfrage bestätigt: „In der Tat erwähnt der am 1. März von der Europäischen Union vorgelegte Entwurf für eine neue Führerscheinrichtlinie Augenoptiker nicht. Überprüfungen der Sehfähigkeit sollen, sofern diese als notwendig betrachtet werden, zumindest nach dem Wortlaut des Vorschlags (nur) durch medizinische Stellen erfolgen können“, erklärt Schmitt. Dabei sei es in Deutschland selbstverständlich, dass auch Augenoptikbetriebe als amtlich anerkannte Führerscheinsehteststellen dazu berechtigt sind. Dass diese Alternative fehlt, ist einer von drei zentralen Kritikpunkten, die – nach vorangegangener Abstimmung mit dem ZVA und vergleichbaren Ver bänden in den anderen Mitgliedstaaten – im April in den Änderungskatalog des European Council of Optometry and Optics (ECOO) einflossen.“
Zudem liegt es nahe, dass deutsche Augenarztpraxen bereits ohne die Einführung regelmäßiger Sehtests mit überfüllten Terminkalendern kämpfen und den damit einhergehenden Andrang an weiteren Kunden kaum dürften bewältigen können. Dass es sich bei der aktuellen Reform um eine Änderung auf EU-Ebene handelt und sich die Rechte von Augenoptikerinnen und Augenoptikern in den einzelnen Mitgliedsstaaten teilweise stark voneinander unterscheiden, könnte einer der Gründe sein, warum die Berufsgruppe nicht explizit genannt wird.
ZVA und ECOO kritisieren Entwurf in mehreren Punkten
Die Kritik von ZVA und ECOO setzt noch früher an: Laut Entwurf ist eine fachkundige Überprüfung der Sehfähigkeit nicht zwingend. Die EU will es im ersten Schritt bei einer Selbsteinschätzung des Führerscheininhabers belassen. Erst wenn dieser selbstkritisch zu dem Ergebnis kommt, dass seine Sehleistung nicht ausreicht, ist eine offizielle Überprüfung vorgesehen. Das sei laut Schmitt zum einen problematisch, weil im Anhang der Richtlinie konkrete Schwellenwerte definiert werden, deren Überschreiten der Führerscheininhaber eigenständig nicht verlässlich beurteilen kann. Zum anderen sei zu erwarten, dass Betroffene angesichts des drohenden Verlusts der Fahrerlaubnis zu dem Urteil kommen, es werde schon noch irgendwie gehen.
Ein dritter Änderungsvorschlag von Seiten des ZVA betrifft den Anlass einer solchen Überprüfung. Schmitt: „Der EU-Entwurf spricht lediglich von der Beantragung einer Fahrerlaubnis. Eine nicht ausreichend korrigierte altersbedingte Sehschwäche beeinträchtigt die Fahrtauglichkeit aber unabhängig von dem Zufall, wann jemandem sein Führerschein (zuletzt) formal ausgestellt wurde.“ Die verkürzte Gültigkeitsdauer ab dem Alter von 70 Jahren solle nach Auffassung von ZVA und ECOO daher unabhängig davon gelten.
DOZ-Umfrage: 100% für regelmäßige Checks
Die DOZ wollte im Rahmen einer Instagram-Umfrage von den Leserinnen und Lesern wissen, wie sie zu den EU-Plänen stehen. Das Ergebnis: 48 Teilnehmer und damit 100 Prozent haben für regelmäßige Fahrtauglichkeit-Checks gestimmt. Ein eindeutiges Ergebnis, während der Entwurf an anderen Stellen auf rege Kritik stößt. So findet der mit 2,2 Millionen Mitgliedern größte Sozialverband Deutschlands VdK: „Verpflichtende Tauglichkeitstests für Autofahrerinnen und Autofahrer ab 70 Jahren grenzen an Altersdiskriminierung“. Und auch der ADAC lehnt das Vorhaben ab: Aus Sicht des Automobilclubs seien gerade die über 70-Jährigen die weitaus vorausschauenderen Verkehrsteilnehmer. Gesundheitliche Einflüsse können die Fahrtüchtigkeit zwar einschränken, so der ADAC, dies betreffe aber alle Altersgruppen.
Noch aber sind regelmäßige Fahrtauglichkeits- Checks in Deutschland Zukunftsmusik. Anders als etwa in Großbritannien oder Spanien, wo Senioren nach dem 65. beziehungsweise 70. Lebensjahr ihren Führerschein bereits erneuern lassen müssen. Ob der Kommissionsentwurf in seiner aktuellen Form letztlich in allen Mitgliedsstaaten umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.