Ein Rückzug, ein Zusammenschluss

Einkaufsgemeinschaften im Wandel: Optiker Gilde, Opticland, Optics Network

Die Landschaft der Einkaufsgemeinschaften befindet sich im Wandel. Das hat nicht zuletzt der Einstieg der Cecop Group und die damit verbundene Übernahmewelle unter Beweis gestellt (siehe DOZ 04/24). Der zweite Teil unserer Serie zu den Verbundgruppen dreht sich um einen Aussteiger, die Optiker Gilde, und um das neue Bündnis von Opticland und Optics Network. Wo lagen die jeweiligen Gründe und wie geht es jetzt weiter? Wir haben mit den Beteiligten gesprochen.
Mehrere Menschen halten große Puzzleteile zusammen
© Pexels / Diva Plavalaguna

Erstveröffentlichung in der DOZ 08I24

Die Strecke, die Winfried Bahn in der Augenoptik bereits hinter sich hat, ist lang. 40 Jahre stand er der Optiker Gilde Servicegesellschaft als Geschäftsführer vor. Vor einem Jahr aber läutete eine Pressemeldung das Ende der Gilde ein, zumindest das Ende des klassischen Verbundgruppenkonzepts zum Jahresende war beschlossen. „Das ist nicht mehr zeitgemäß“, sagte Bahn schon damals und unterstreicht dies auch ein Jahr später. „Der Markt hat sich verändert. Das Thema Einkaufskonditionen spielt gerade bei Augenoptikern mit einer gewissen Größenordnung nicht mehr die tragende Rolle, weil sie ohnehin schon Top-Konditionen haben. Da bringt die Kooperation keinen großen Vorteil mehr.“ Er selbst sei in der luxuriösen Lage gewesen, auf der einen Seite diesen Geschäftszweig aufgeben zu können und nicht verkaufen zu müssen, auf der anderen Seite mit der Unternehmensberatung – von Fachgeschäften wie auch Industrie – und der Betreuung von Unternehmensverkäufen weiterhin voll ausgelastet zu sein. „Jeder Augenoptiker hat sich irgendwann bewusst dazu entschlossen, zur Optiker Gilde zu kommen. Deshalb konnte jeder nach unserem Schritt auch selber entscheiden, welcher anderen Kooperation er beitritt“, betont Bahn. Einige seien gar nicht mehr in eine Verbundgruppe gegangen.

Zum Zeitpunkt des Rückzugs waren es laut letztem ZVA-Branchenbericht noch 140 Hauptbetriebe, die in der Optiker Gilde kooperierten. Zum Vergleich: Im Branchenbericht 2015 wurden noch 510 Betriebe bei der Gilde aufgeführt. Damals habe man auch die einzelnen Niederlassungen mit berücksichtigt, kurze Zeit später dann die Zählweise verändert. Hinzu kamen zahlreiche Geschäfte, die in neue Besitzverhältnisse überführt wurden. „Insgesamt haben wir alleine 80 Mitgliedsunternehmen bei der Geschäftsübergabe unterstützt“, sagt Bahn. Und letztlich scheint dieser Bereich der Unternehmensverkäufe und -beratung nach und nach zum lukrativeren Teil des Geschäftsmodells geworden zu sein. Weiter Bestand hat aber noch die ERFA- Arbeit, die fortgeführt wird. Im Gespräch mit Bahn wird schnell klar, dass er Einkaufskonditionen und selbst das Marketing nicht mehr als Zugpferde einer Verbundgruppe sieht. Daher scheint der zum Jahresende 2023 vollzogene Schritt nur konsequent gewesen zu sein.

Partner mit gewisser Stärke gesucht

Einfach das Verbundgruppenkonzept aufzugeben, kam für Ralf Mackensen nicht in Frage. „Mir war es wichtig, dass die Zukunft von Optics Network langfristig gesichert ist“, betont der Geschäftsführer angesichts des eigenen geplanten Ausscheidens im kommenden Jahr. Bei der Suche nach einem Partner habe man verschiedene Parameter angesetzt: Zum einen sollte dieser ein gewisses Gewicht und eine gewisse Stärke am Markt haben, zum anderen auch den Bestand des Unternehmens sicherstellen können. „Und so sind wir letzten Endes mit Opticland ins Gespräch gekommen“, erklärt Mackensen. „Es war jetzt nicht so, dass wir auf die Walz gegangen sind und krampfhaft versucht haben, eine Firma an Land zu ziehen“, beleuchtet Matthias Meyer als Geschäftsführer der Opticland GmbH die andere Seite des Deals. Beim reinen Blick von außen sorgte die Verkündung des Zusammenschlusses für Stirnrunzeln bei dem ein oder anderen Branchenkenner. Zu unterschiedlich erschien die Ausrichtung beider Unternehmen. Denn: während die Mitgliedsbetriebe von Optics Network größtenteils Einzelgeschäfte sind, betreiben die 60 Partner von Opticland 640 Geschäfte und sind damit deutlich stärker filialisiert. So bringen alleine Optiker Bode und Brillen Rottler ein Filialnetz von über 200 Geschäften in die Statistik ein. Dennoch wehrt sich Meyer gegen das Wort Filialisten in Bezug auf seine Mitglieder. „Das sind allesamt inhabergeführte Familienunternehmen, die zum Teil in zweiter und dritter Generation geführt werden“, unterstreicht der Geschäftsführer. Natürlich gebe es Mitglieder, die mehrere Geschäfte führten, ebenso aber auch den klassischen Tradi. „Daher glaube ich, dass die DNA von Optics Network und Opticland sehr wohl gut zueinander passen. Opticland gibt es seit 45 Jahren und wir waren eine der ersten Einkaufsgemeinschaften am Markt. Unsere Geschichte prägt uns bis heute.“

Winfried Bahn Portrait

Winfried Bahn konzentriert sich nach dem Rückzug aus dem Verbundgruppengeschäft nun auf Unternehmensverkäufe und die Unternehmensberatung.

© Optiker Gilde

Nichtsdestotrotz habe es bei dem ein oder anderen Mitglied durchaus Bedenken gegeben. Diese aber habe man durch eine möglichst offene Kommunikation versucht zu zerstreuen, erklärt Mackensen. So informierte man im ersten Step alle Mitglieder per Mail, gleichzeitig holte das neue Bündnis auch die Industrie beim Informationsfluss mit ins Boot. Zusätzlich bot man allen Partnern eine Videokonferenz an, in dem offene Fragen beantwortet wurden. „Darüber hinaus haben wir im Rahmen der Opti gemeinsam mit unserem größten Lieferanten einen Raum angemietet und entsprechend aufgeklärt“, sagt Mackensen. Diese breite Informationskette habe mit dafür gesorgt, dass es im Nachgang der Verkündung keinerlei Partnerschwund gab.

Beide Unternehmen sollen ihre eigene DNA bewahren

Ganz wichtig in der Kommunikation sei zudem gewesen, dass man zwar den Zusammenschluss in den Vordergrund stellte, gleichzeitig aber auch die Individualität beider Unternehmen deutlich machte. „Wir sind gut beraten, nicht an der DNA von Optics Network zu rütteln. In der Vergangenheit gab es Zusammenschlüsse, bei denen man vorschnell eine Markenidentität überstülpte. Das ist sehr oft schief gegangen“, betont Mackensen. „Ein Umtopfen steht überhaupt nicht auf der Agenda“, pflichtet ihm Meyer bei. Sehr wohl aber nutze man Synergien beider Unternehmen zum Vorteil aller. So habe man schon vor dem Zusammenschluss eine hohe Deckungsgleichheit bei den Lieferanten gehabt und diese nun weiter angeglichen. „Für die Industrie sind wir ein langfristiger Partner, bei dem aus zwei Verhandlungspartnern nun einer geworden ist“, sagt Meyer. Auch im Bereich der Organisationsstrukturen gab es Angleichungen. So nutze man mittlerweile beispielsweise gemeinsam den Außendienst, den Optics Network ins Bündnis eingebracht hat. Auf der anderen Seite könnten Mitglieder von Optics Network jetzt auch auf die Eigenmarken von Opticland zurückgreifen. „Wir haben eine neue B2B-Plattform aufgebaut, über die unsere Partner nicht nur ihre Bestellungen vornehmen können, sondern über die auch die Kommunikation in Zukunft gebündelt laufen soll“, berichtet Meyer.

Apropos Eigenmarken: darauf hatte Opticland in der Vergangenheit einen besonderen Fokus draufgelegt. Meyer: „Wir waren die erste Einkaufsgemeinschaft, die für ihre Partner Eigenmarken-Fassungen entwickelt und angeboten hat. Das war, ist und bleibt eine unserer Kernkompetenzen.“ Für die Zukunft würden Eigenmarken zudem immer wichtiger. „Nicht jeder hat das Geld, um für eine Gleitsichtbrille 800 oder 1.000 Euro auszulegen. Und warum sollten wir diese Kunden allein in die Hände der wirklich großen Filialisten übergeben, wenn wir selbst von der Einstiegspreisklasse bis zur Luxusmarke die ganze Range sicherstellen können?“

Matthias Meyer Portrait

Matthias Meyer ist ebenso erfreut über den Zusammenschluss von Opticland und Optics Network wie....

© Opticland

Weniger Konditionen, mehr Service und Dienstleistungen

Ohnehin ginge es in Zukunft um weit mehr Konditionen bei Lieferanten in Bezug auf das Leistungsspektrum einer Verbundgruppe, sind sich Meyer und Mackensen einig – und blasen dabei in ein ähnliches Horn wie auch Winfried Bahn. Service und Dienstleistung nähmen einen immer wichtigeren Part ein. „Dabei sehen wir uns als Partner auf Augenhöhe. Und so wollen wir auch von außen wahrgenommen werden, nur so können wir langfristig erfolgreich sein“, sagt Mackensen.

Dass dabei auch eine gewisse Größe eine immer wichtigere Rolle spielt, zeige der Konzentrationsprozess der vergangenen Jahre. „Wir haben uns mit unseren rund 200 Partnern immer ein wenig am Limit bewegt und eine Zeit lang viel investiert, um neue Partner an Bord zu holen. Wir wollten Sichtbarkeit und eine gewisse Verhandlungsstärke mit der Industrie. Dies haben wir jetzt auf andere Weise erreicht“, sagt Mackensen. Und es klingt ein wenig so, als wenn dieser Schritt auch nötig wurde, um nicht an Relevanz zu verlieren. Schließlich glaubt der demnächst scheidende Geschäftsführer, dass alle Einkaufsgemeinschaften, die nicht über eine relevante Größe und Stärke verfügen, vom Markt verschwinden oder in einer anderen Gruppe aufgehen werden. „Diese Dynamik hat in den letzten Monaten noch mal an Momentum gewonnen und ist eine logische Konsequenz der vergangenen Jahre“, führt Mackensen weiter aus. 

Ralf Mackensen Portrait

...Ralf Mackensen, der die bisherige Entwicklung beider Unternehmen positiv bewertet.

© Optics Network

Für Meyer ist der Konzentrationsprozess gar ein Spiegelbild der Wirtschaft in Deutschland, in Europa und sogar weltweit. Unternehmen sähen sich stetig steigendem Kostendruck ausgesetzt, Marktgegebenheiten würden sich ändern, der Spagat zwischen online und offline müsse gelingen. „Da braucht es gute Strukturen und in der Summe ein gutes Setting. Deshalb tun wir gut daran, uns in erster Linie auf uns und unsere Partner zu konzentrieren.“ Denn im Gegensatz zur Optiker Gilde scheint der Weg von Opticland und Optics Network noch nicht zu Ende …