Deutschland & Corona: Wie managen Unternehmen die Krise? - Teil 1
Als Folge der Corona-Pandemie rechnet die Bundesregierung mit einer schweren Rezession für Deutschland. Der Jahreswirtschaftsbericht des Bundeswirtschaftsministeriums, der Ende Januar veröffentlicht wurde, sah noch ein 1,1 Prozent Wachstum für das Jahr 2020 voraus. Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wurde positiv eingeschätzt. Doch auch die deutsche Wirtschaft wird durch die Ausbreitung des Coronavirus geschwächt, die Produktion in Teilbereichen der Industrie kam zum Erliegen.
Auch die augenoptische Industrie wird sich auf eine sinkende Nachfrage nach Brillen sowohl im Inland als auch bei den Brillenexporten einstellen müssen. Die DOZ fragte Dr. Jörg Zobel, CEO beim deutschen Brillenhersteller Eschenbach Optik in Nürnberg, nach seiner Einschätzung.
Dr. Zobel, wie haben Sie die ersten Nachrichten um die Covid-19 Epidemie aufgenommen?
Jörg Zobel: Ich habe länger in Asien gelebt und dort die Auswirkungen der SARS-Infektion sowie der Vogelgrippe miterlebt. Daher hat mich Corona vom Beginn des Ausbruchs an beunruhigt.
Wann haben Sie welche Maßnahmen in Ihrem Unternehmen eingeleitet, insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Mitarbeiter?
Seit dem Ausbruch des Virus in Asien haben wir angefangen, Videocalls in der Gruppe zu testen. In Europa haben wir zudem gleich zu Anfang Home-Office-Lösungen ausprobiert und dann mit allen Mitarbeitern, mit denen es möglich war, umgesetzt. Das hat zum Glück bis heute sehr gut funktioniert.
Gab es in Ihrem Unternehmen eine einhellige Einschätzung der Situation, oder unterschiedliche Ansichten?
Wir sind wahrscheinlich so pluralistisch wie die deutsche Bevölkerung. Daher gab und gibt es auch bei uns verschiedene Einschätzungen. Das ist auch ganz gut so, denn es ermutigt uns, in verschiedenen Szenarien zu denken und für jedes Lösungen zu planen.
Werden Ihrer Meinung nach die bisherigen Empfehlungen beziehungsweise Anordnungen der Bundes- oder auch der Landesregierungen ausreichend befolgt?
Es ist überraschend, wie jedes Bundesland eine eigene Interpretation der Maßnahmen hat. Österreich, zum Beispiel, hat das anders gehandhabt und konnte schneller und einheitlicher reagieren.
Sie arbeiten mit internationalen Brillenherstellern zusammen. Wurde international die Produktion von Brillen eingestellt oder reduziert, oder kann weiterhin geliefert werden? Aus welchen Ländern können sie derzeit noch Brillen beziehen?
Es gibt überall Engpässe, denn in einer globalen Lieferkette benötigt man immer Teile aus anderen Ländern. Ich sehe zwei Wellen in der Produktion. Die erste Welle: In asiatischen Ländern begannen die Probleme zeitlich gesehen früher, inzwischen aber trat eine Erholung ein. In Europa begannen die Probleme zeitlich versetzt später. Die zweite Welle steht uns aber erst noch bevor: Aufgrund der nun schnell reduzierten Kundenaufträge aus den USA und Europa werden überall die Produktionskapazitäten wieder stark heruntergefahren. Man wird diese, wenn der Bedarf wieder anzieht, nicht so schnell wieder hochfahren können. So könnte es bei allen Anbietern zum zweiten Mal zu Lieferengpässen kommen.
Wie reagieren Ihre augenoptischen Partnergeschäfte? Wurden Aufträge storniert oder zurückgestellt? Gewährt Eschenbach Augenoptikern beispielsweise verlängerte Zahlungsfristen?
Das ist in jedem Einzelfall anders. Einige stellen sich schon wieder auf den Start ein. Gerne würden wir allen Anfragen entsprechen, Ware vorzufinanzieren. Leider sind wir aber keine Bank und haben somit nur begrenzte Möglichkeiten.
Welche strategischen und organisatorischen Maßnahmen können Sie sich für die kommende Zeit vorstellen, sollte die Krise andauern?
Eine ist klar: Das Virus wird nicht von alleine verschwinden, auch wenn sich die Verdopplungsrate der Infizierten reduziert. Wir werden alle kreative Lösungen finden müssen, mit dem Virus für eine längere Zeit zu leben. Für den Augenoptiker werden Lösungen gefragt sein, wie das Infektionsrisiko minimal zu halten und die Sicherheit für Kunden zu gewährleisten ist, damit diese sich in den Laden trauen. Für uns wird eine Aufgabe sein, unsere Lagerbestände an verschiedene Bedarfsszenarien anzupassen. Eine weitere, wie unser Aussendienst für jeden Kunden die beste Unterstützung geben kann, auch per Video, wenn das bevorzugt wird. Wir werden alle lernen, digitaler zu arbeiten, das kann auch ein positiver Effekt der Krise sein.
Wie schätzt Ihr Unternehmen die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Pandemie ein?
Diese sollte man nicht unterschätzen. Auch wenn der Betrieb wieder startet, wird es viele Störgrößen geben. Sehhilfen und somit Brillen sind jedoch auch medizinische Bedarfsprodukte, die als solche aus einer Notwendigkeit heraus gekauft werden. Das ist nicht wie bei anderen reinen Modeprodukten, wie beispielsweise Bekleidung, deren Kauf man länger aufschieben kann.
Wie hält Eschenbach derzeit Kontakt zu Kunden und Partnerunternehmen?
Das gelingt sehr gut. Der persönliche Kontakt bleibt bestehen, gerade wenn man vorher langfristig partnerschaftlich zusammen gearbeitet hat. Per Telefon und Video lassen sich gute Beziehungen weiter ausbauen. Gerade in Krisen zahlen sich glaubwürdige und nachhaltige Partnerschaften besonders aus.
Was kommunizieren Sie in diesen Tagen ins Unternehmen hinein und was nach draußen?
Ich schicke regelmäßig allen Mitarbeitern eine Videobotschaft, damit alle den gleichen Informationsstand haben und wissen, was gerade passiert. Das haben wir auch im letzten Newsletter gemacht für die Kunden. Gerade in einer Krise braucht man diese menschliche Präsenz, möchte verstehen, was die Menschen denken, fühlen und tun. Dabei geht es derzeit vor allem darum, wie wir unseren Kunden helfen können, wenn das Geschäft wieder startet. Und es geht auch um die neuen Kollektionen für 2021, die jetzt schon in der Entwicklung sind. Wir gehen kurzfristig darauf ein, was gerade ansteht, denn vieles kann man jetzt noch nicht in die Zukunft planen.
Die Fragen stellte Angela Mrositzki