Von Veränderungen und neuen Chancen

Mitgliederversammlung des ZVA über den Dächern Heidelbergs

„Es geht was bei uns“, sagte der SWAV-Vorsitzende Matthias Müller bei seiner Begrüßungsrede und meinte damit sicherlich nicht nur die Weiterentwicklung der Stadt Heidelberg und die seines Verbands. Auch auf der diesjährigen ZVA-Mitgliederversammlung am 8. und 9. März standen die berufspolitischen Entwicklungen und die Zukunft der Branche im Fokus. DOZ-Redakteurin Angelika Miller war vor Ort und berichtet über einige der wichtigsten Themen.

Standing Ovations für Volker Scheel: Der (ehemalige) Obermeister aus Berlin erhielt vom ZVA-Präsidenten Christian Müller das Goldene Ehrenzeichen.

© ZVA / Peter Magner

Es gibt Menschen, die sich nicht nur ihrer beruflichen Aufgabe mit Leidenschaft widmen, sondern darüber hinaus mit unermüdlichem Einsatz und visionärem Weitblick die gesamte Branche prägen. […] Die höchste Auszeichnung, die wir dafür vergeben können, ist die Ehrennadel in Gold.“ Mit diesen Worten begann und endete Christian Müllers Ehrenrede an Volker Scheel, der sich die Nadel vom ZVA-Präsidenten sichtlich gerührt anstecken ließ. Der (ehemalige) Obermeister aus Berlin nahm seinen letzten Beisitz in einer ZVA-Mitgliederversammlung zum Anlass, seine schönsten Erinnerungen aus der Ehrenamtszeit Revue passieren zu lassen. Fehlen werde ihm vor allem das „gemeinsame Gestalten“, er freue sich aber, an die neue Obermeisterin Antje Tauchert als starke Nachfolgerin zu übergeben. Mit seiner spontanen Dankesrede und seinem Berliner Humor sorgte der 65-Jährige für „Standing Ovations“ der knapp 50 Teilnehmenden und einen emotionalen Auftakt der Mitgliederversammlung des ZVA. Im elften Stock des Atlantic Hotels wurden über den Dächern Heidelbergs aktuelle und besonders branchenrelevante Themen der Augenoptik besprochen. Gastgeber der Veranstaltung war der Südwestdeutsche Augenoptiker- und Optometristen-Verband (SWAV), dessen Präsident Matthias Müller die Delegierten zu Beginn in der Stadt am Neckar willkommen hieß.

Präqualifizierungen entwickeln sich "besorgniserregend"

In seinem Bericht zur aktuellen Situation sprach Christian Müller über die politischen Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die Branche. Nach Bundestagswahl und Regierungswechsel hieße es nun „Alles auf Anfang“, da mit dem Ausscheiden nicht weniger für die Branchenpolitik entscheidender Abgeordneter neue politische Kontakte geknüpft werden müssen (Details dazu und über den Interessenvertreter der Gesundheitshandwerke in Berlin finden Sie in der DOZ 03/25) und die Reform zum Hilfsmittelgesetz aufgrund des Bruchs der Ampelkoalition neu aufgerollt werden muss. Als besorgniserregend beschrieb er die Entwicklung hinsichtlich der Präqualifizierungen: So gaben bei einer Blitzumfrage unter Innungsbetrieben auf der Opti – bei einer Rücklaufquote von 25 Prozent – 17 Prozent an, nicht präqualifiziert zu sein, weitere 17 Prozent wollten auf eine erneute Präqualifizierung verzichten. Vor allem die kleineren Betriebe in ländlichen Räumen entscheiden sich wegen der Komplexität des Verfahrens gegen eine Präqualifizierung, weshalb der ZVA-Präsident „die flächendeckende Versorgung unter Umständen in Gefahr“ sieht.

Reaktion auf GKV-Beschluss

Ein weiteres wichtiges Thema sind aktuell die Festbeträge, denn seit März gibt es diese für Sehhilfen nicht mehr. ZVA-Vizepräsident Armin Ameloh berichtete entsprechend über den aktuellen Stand bei Versorgungsverträgen im GKV-System. Laut Christian Müller beschäftige sich der ZVA nun mit der Frage, wie der Verband auf den Beschluss des GKVSpitzenverbands reagieren soll. So soll etwa einer der Verträge mit den Krankenkassen gekündigt werden – mit dem Ziel, vor allem für Dienstleistungen, Kontaktlinsen und vergrößernde Sehhilfen neue Vertragspreise zu verhandeln, die „auch wirklich kostendeckend sind“, wie Müller sagt. In diesem Zusammenhang machte er auf die langjährige Forderung des ZVA aufmerksam, vom Festbetrags- auf das Festzuschusssystem umzustellen. Stichwort Forderungen: Eine der Kernforderungen an die Politik werde die bessere Beteiligung der Gesundheitshandwerke an den Entscheidungen sein, die die einzelnen Berufe betreffen, betonte der ZVA-Präsident. Präventionsangebote auch für gesetzlich Versicherte durchzusetzen, stünde zudem auf der Agenda, ebenso wie die Modernisierung des Berufsbilds für Gesellinnen und Meister und die Durchführung des Sehtests für Berufskraftfahrer beim Augenoptiker.

Derweil bleibt das Betriebskonzept von Brillen.de umstritten. Knackpunkt ist die Meisterpflicht, die Brillen.de mit der Remote-Refraktion zu umgehen versucht. Die rechtlichen Grundlagen der Meisterpflicht behandelte in diesem Zusammenhang Klaus Schmitz, Justiziar beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Er stellte klar, dass die Meisterqualifikation in der Augenoptik essenziell sei. Anschließend legten ZVA-Geschäftsführer Dr. Jan Wetzel und Verbandsjustiziar Carsten Schmitt dar, wie der ZVA gegen die Aushöhlung der Meisterpflicht durch Brillen.de vorgeht. Dies geschieht auf Ebene des Handwerks- und nunmehr zusätzlich auf Ebene des Wettbewerbsrechts. Schließlich handele derjenige unlauter, unterstrich Schmitt, der zulassungspflichtige handwerkliche Leistungen anbietet, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein.

Trend der Abwanderung vom Tradi zum Filialisten erstmals gebrochen

Michael Sommer vom Institut für Demoskopie Allensbach stellte die Erkenntnisse aus der neuen Brillenstudie 2024/25 zum Sehbewusstsein der Deutschen vor. Die Erhebung wird alle fünf Jahre veröffentlicht und kam unter anderen zu diesen Ergebnissen:

  • Die Zahl der Brillenträger hat abgenommen (2019: 67 %, 2024: 64 %), vor allem unter den 14- bis 19-Jährigen (2019: 27 %, 2024: 20 %).
  • Die Kaufzurückhaltung aufgrund der wirtschaftlichen Sorgen hat zugenommen: Zwei Drittel der Befragten gaben an, sie seien (sehr) stark von den Preissteigerungen betroffen.
  • Die Mehrheit kaufte ihre (letzte) Brille zwar weiterhin bei einer größeren Kette (53 % gegenüber 36 % im Einzelfachgeschäft), aber: Der Trend, dass Kunden vom „Tradi“ zunehmend zum Filialisten wechseln, wurde erstmals seit 1993 unterbrochen – 2019 waren es noch 55 vs. 34 Prozent gewesen.
  • Der Beruf des Optometristen wird bekannter (2019: 16 %, 2024: 25 %).

Die Ergebnisse der Studie fließen in den nächsten ZVA-Branchenbericht ein, der Ende April veröffentlicht wird.

Fahrtauglichkeit mit Ortho-K belegt

Zu einer weiteren Studie referierte Dr. Stefan Bandlitz. Der Schulleiter der Höheren Fachschule für Augenoptik und Optometrie in Köln präsentierte die Ergebnisse der Studie „Orthokeratologie im Straßenverkehr“ – und damit eine Quelle, die die Rechtssicherheit von Ortho-K-Linsen beim Autofahren wissenschaftlich belegt. Demnach ist die Sehschärfe von gut angepassten Ortho-K-Linsen den ganzen Tag über stabil und mit einer Korrektion durch eine Brille oder weiche Kontaktlinse vergleichbar, Ortho-K-Träger erfüllen die Sehschärfeanforderungen in allen Ländern und auch ihr mesopisches Sehen sowie die Blendempfindlichkeit bleiben im Tagesverlauf konstant. Mit Hilfe dieser Ergebnisse werde der ZVA in den kommenden Monaten einen neuen Anlauf nehmen, damit Ortho-K-Linsen auch im Straßenverkehr rechtssicher eingesetzt werden können.