

SPEZIAL
DOZ
09 | 2017
44
„Schaut euch den Kunden an!“
Wenn Dr. Klaus Wehmeyer mit seinem Auto heute in die
Werkstatt fährt, erwartet ihn kein Mechaniker mit dem Hammer.
Zeiten ändern sich, Gleitsichtgläser und Reklamationen bleiben.
So viel positives Feedback nach einem Vortrag macht beinahe misstrauisch, zu
mal wenn es sich um ein Thema handelt, das die Zuhörer von A bis Z eigentlich
verinnerlicht haben müssten. Dr. Klaus Wehmeyer, Aufsichtsratsvorsitzender der
Deutschen Augenoptik AG, widmete sich in seiner Präsentation im Frühjahr bei
der Mitgliederversammlung des Zentralverbandes der Augenoptiker und Opto
metristen (ZVA) auf unterhaltsame Weise den diversen Reklamationsgründen nach
dem Gleitsichtbrillenkauf und stellte erstaunliche Fallbeispiele vor. Sie belegten,
wie wichtig die Ermittlung der korrekten Mess und Zentrierdaten für das Tragen
einer Gleitsichtbrille sind. Dr. Wehmeyer zeigte die Negativbeispiele, alle geliefert
von stationären Augenoptikern und nicht vom Onlinehandel. Er ging aber auch auf
Lösungen ein und hatte damit den Nerv der Anwesenden getroffen – zum größten
Teil Betriebsinhaber.
Das Gleitsichtglas ist der Umsatztreiber
in der Augenoptik. Dass aber offensicht-
lich noch etliche Fragen offen sind bezie-
hungsweise durch immer neue Glastech-
nologien aufgeworfen werden, ist nicht
nur Dr. Wehmeyer spätestens seit diesem
Vortrag bewusst. Deswegen wird die DOZ
in den kommenden Ausgaben immer mal
wieder ein Auge aufs Gleitsichtglas wer-
fen. Dr. Klaus Wehmeyer erhält in unse-
rem Interview als Impulsgeber das Recht,
diese Serie zu eröffnen.
DOZ: Herr Dr. Wehmeyer, gestatten Sie
eine provozierende Eingangsfrage: Sie
müssen sich natürlich mit Gleitsicht
gläsern auskennen, aber wie kann es
sein, dass Sie über so viele Beispiele
von Reklamationen verfügen? Sagt das
etwas über Ihre Firma oder Ihre Kun
den aus?
Dr. Klaus Wehmeyer: Weder noch.
Ich habe schon beim Originalvortag zu
Beginn gesagt, dass dieses Problem we-
der den Zuhörern im Versammlungssaal
noch mir als Aufsichtsratsvorsitzenden
wirklich bekannt ist. Auch die DOZ-Leser
werden das nur vom Hörensagen ken-
nen. Wir müssen also alle gemeinsam
auf Fremdmaterial zurückgreifen, um uns
dem Thema zu nähern.
Und im Ernst?
Wir wissen alle zu wenig über Gleit-
sichtgläser, die Augenoptiker sind nicht
gut genug informiert, weil die Hersteller
ein Mysterium aus diesem Produkt ma-
chen.
Was zur Folge hat, dass die Reklama
tionsquote Anlass zur Sorge gibt?
Nein. Die Quote liegt – alle Fehlerursa-
chen zusammen genommen – unter zwei
Prozent. Früher hatten alle Hersteller mal
Phasen, wo alleine bei jedem zehnten Glas
Probleme mit der Beschichtung auftraten.
Sie müssen Beratungsfehler, Unverträg-
Die Reklamationsquote liegt bei Gleitsicht
gläsern bei weniger als zwei Prozent. In
speziellen Fällen können Gleitsichtgläser
unverträglich sein – der Augenoptiker kann
dieses im Beratungsgespräch mit dem Kun
den erkennen. (Foto: iStockphoto / nicexray)